Interview mit Margarethe Oehlschlaeger am 4. März 2021
Anne Rahe: Wie kam es, dass Sie den besonderen Beruf der Silberschmiedin ergriffen?
Frau Oehlschlaeger erzählt:
„Ich wollte Goldschmiedin werden – schon als Kind. Ich habe dann in Lübeck beim Innungsmeister eine Probewoche gemacht, der als Anleiter menschlich sehr schwierig war. Er sagte mir, ich sei völlig unbegabt. Nach dieser Abfuhr hat sich meine Mutter bei der Kammer erkundigt – ihr wurde der Lehrlingswart empfohlen – der sei ein Silberschmied -es war Werner Oehlschlaeger!“
M. wollte nach der niederschmetternden Ersterfahrung nicht mehr in diesen Beruf, ihre Mutter überredete sie, zu Herrn Oehlschlaeger zu gehen:,, Daraufhin habe ich dort probegearbeitet, durfte eine Schale anfertigen. Auf meine Zweifel – „Was machen sie (die Kunst-handwerker) für große Sachen!“, wollte ich einen Rückzieher machen. Da versicherte Herr Oehlschlaeger mir: ,,Nein, nein! Du hast es drin, du kannst das!“
Daraufhin hat sie eine Lehre bei ihm begonnen und sich nach der Lehre noch in Schwäbisch Gmünd weiterqualifiziert, um Techniken wie emaillieren, ziselieren, gravieren zu erlernen.
,,Herr Grove hatte den Laden in der Pfaffenstrasse vor uns gemietet von der Stadt. Den gab er auf, als er nach Süddeutschland ging. Und da bot er uns sein Geschäft an. Dann haben wir die unteren Räumlichkeiten von ihm übernommen. Später ergab sich die Gelegenheit, das ganze Haus zu kaufen.“
Frau Oehlschlaeger ist 58 Jahre im Beruf, ihre Mitarbeiterin Frau Knorr 64 Jahre. Beklagenswert und dramatisch für die sakralen Kunstschätze ist, dass es keinen Nachwuchs gibt. Frau Oehlschaegers Tochter hat den Beruf der Silberschmiedin noch erlernt. Zwischen 2012 und 2016 wurden jedoch in ganz Deutschland nur 2 Silberschmiede ausgebildet. Die hatten kein Handwerk gelernt, sondern kamen aus der Besteckbranche.
Anne Rahe: Sie haben an der Entstehung des Martinsfensters mitgewirkt.
„1964 hat Herr Oehlschlaeger mich als einfacher Lehrling in der Martinskirche abgesetzt mit dem Amboss und dem ganzen Werkzeug. Ich musste dann die Verblendungen, wo die Glasscheiben angesetzt werden, vor Ort anschmieden, anbohren und so anpassen, dass die Bögen mitgingen. Damals wurde in der Kirche noch gebaut. Zwischen Sakristei und Haupteingang war alles offen, so zog mir eine fürchterliche Erkältung zu, die sich zur Lungenentzündung auswuchs. Die Arbeiten am Martinsfenster zogen sich mehrere Tage hin.
Das ganze Gestänge haben wir in der Werkstatt gefertigt, das wurde dann rübergebracht mit einem Lastwagenkran und dann vor Ort eingesetzt. Schließlich merkte man, der Luftzug ist ein Problem. Da muss Glas dazwischenkommen. Das Martins-Fenster wurde komplett von Otto Wulk entworfen und gestaltet, allerdings noch nicht mit Glas gefüllt, weshalb es so im Chorraum zog, Deshalb wurde die Skulptur mit Glas ausgefüllt – zunächst noch nicht farbig. Das kam erst später. Dann hat man den Bettler farbig und das Gewand vom Bettler auch noch farbig gestaltet. Wann man das eingesetzt hat, weiß ich auch nicht.°
Geschmiedet habe ich in der Kirche und beim Martinsfenster die Halterungen für die Glasscheiben gemacht – parallel vor jedem Streben mussten die angepasst werden. Dazwischen wurden die Glasscheiben reingesetzt und dann wurde das angeschraubt. Die Streben davor, wenn Sie z.B. zum Beispiel den Körper nehmen vom Pferd oder den Schwanz – das sind ja Rundungen. Die musste ich auf einem Amboss passend schmieden.
In die ganze Geschichte der Entstehung des Kunstwerkes in Zusammenarbeit mit Herrn Wulk wurde ich gar nicht mit einbezogen. Wieso mein Mann nach Cleverbrück kam, wer ihn dazu aufgefordert hat, am Martinsfenster mitzuwirken, weiß ich nicht.“
°“Der Einbau muss im Jahr 1964 erfolgt sein. Denn am 20. Juni 1964 wurde eine Zahlung an die Firma 0. Wulk in Höhe von 700,00 DM für ,Eingangsgestaltg.“ angewiesen.