Anne Rahe: Otto Wulk und Ihrem Mann verdanken wir das bedeutendste sakrale Kunstwerk der Martinskirche, den Gnadenstuhl – was wissen Sie über dessen Entstehungsgeschichte?

„Sowohl die Darstellung des Sankt Martin wie auch der Gnadenstuhl sind vom Graphiker Otto Wulk entworfen. Herr Wulk hat seinen Plan auf Transparentpapier bei uns in der Werkstatt an die Wand projiziert. Sie haben dann beim Biegen das Metall direkt da herangehalten und passend gemacht.

Der Gnadenstuhl ist aus Messing-Profil-Rohren gefertigt, nicht aus Silber. Ob die Arbeit anschließend versilbert wurde, kann ich nur nach in Augenscheinnahme sagen. Zum Biegen musste das Messing-Rohr mit Sand gefüllt werden. Wir sind dann immer bei uns auf das Dach gestiegen und haben von oben mit einem Trichter Sand ins Rohr gefüllt und das Rohr gebogen. Auch die Dornenkrone, der Strahlenkranz, geht nur mit einem Vierkant und zieht das hohl. Eine schwierige Arbeit.“

Anne Rahe: Der Gnadenstuhl wird immer wieder in Verbindung mit Ihrem Mann gebracht..“

Zitat aus: Walter Körber, Kirchen in Vicelins Land, Eutin 1977, S. 161: ,Der Silberschmied Werner Oehlschlaeger schuf aus versilbertem Messing die Plastik >Der Gnadenstuhl<, die in der Nische der Sudwand aufgestellt wurde, Otto Wulk (Scharbeutz) das Ostfenster über dem Altar.“

Der Entwurf selber ist nicht von meinem Mann Ich weiß natürlich nicht, ob mein Mann Herrn Wulk in irgendeiner Weise beeinflusst hat. Ich weiß nur, dass Herr Wulk bei uns immer in die Werkstatt in der Wahmstrasse kam – die war ja groß hinten am Peterhof- und sich die Arbeiten meines Mannes anguckte und einiges anmerkte. Alle Drei, ich, Frau Knorr und mein Mann haben an der Skulptur gearbeitet, geschweißt und gelötet.

Wie weit die Zusammenarbeit im künstlerischen Bereich ging, kann ich nicht sagen.Es ist natürlich so, dass Entwürfe auch umsetzbar sein müssen. Und da hat mein Mann schon mal eingegriffen und entgegnet:,Das geht so nicht!“

Genau wie dieser Gnadenstuhl zunächst oben im Fenster hing, Da haben wir ja mit Leitern oben gestanden. Da haben wir gleich gesagt: Was hat sich Herr Wulk da ausgedacht? Man sieht den gar nicht!‘ Das Fenster war ja bunt mit diesen Bleiverstrebungen. Das ist ja immer noch so. Ein paar Jahre später hieß es, der Gnadenstuhl soll jetzt runtergenommen werden und an der Seite angebracht werden.“

Anne Rahe: .Das geschah im Zusammenhang, als es eine Ausstellung Ihrer Silberschmiede im St. Annen-Museum gab. Da wurde der Gnadenstuhl für die Ausstellung abgenommen und hinterher nicht wieder vor dem Fenster angebracht.“

Das war 1975. (AR: gem. Gemeindekirchenratsprotokoll vom 15. Juni 1976 TOP 2 a) .soll Herr Oehlschlaeger gebeten werden, den Gnadenstuhl um den 20. Juli auszubauen“)

Gestalterisch ist das, was Herr Wulk geschaffen hat, sehr gut Mein Mann und ich waren auch selbst immer begeistert von der Skulptur. Das ist ja nicht bei jedem Auftrag so… Aber mein Mann war so, dass er immer ins Gespräch kam und sich nie hat verbiegen lassen. Es kann durchaus sein, dass sich Herr Wulk und mein Mann über die Umsetzung des Entwurfs des Gnadenstuhls ausgetauscht haben. Das Problem ist, dass alle Unterlagen seine Frau behalten hat und sie hat sich aufgrund der Scheidung geweigert, diese Unterlagen herauszugeben. Für die Zeit ab 1956 bis Anfang 1967 fehlen uns die entscheidenden Unterlagen; da müssen Frau Knorr und ich auf unser Gedächtnis zurückgreifen.“

Anne Rahe: Bei manchen geschmiedeten Kunstwerken in der Martinskirche, konnte ich nicht herausfinden, wer sie geschaffen hat…

Damals (60-er Jahre) lag der Schwerpunkt meines Mannes im sakralen Bereich, in Kirchen. Ganz selten nur hat er mal ein Schmuckstück angefertigt. Von uns stammt in der Martinskirche nur ein Abendmahlskelch. Und: Die Taufschale in Bronze hat mein Mann nach dem Entwurf der Keramikschale von Herrn Grove gegossen.

Anne Rahe: ,,Beim Osterleuchter wissen wir nicht, ob er die Handschrift Ihrer Silberschmiede trägt. Bei Ihrem Besuch in der Martinskirche zögerten Sie, ihn als ein Werkstück von Ihnen zu bestimmen.“

„Auf Kunstwerken der Silberschmiede Oehlschlaeger müsste der Stempel zu finden sein. Aber wir haben den Osterleuchter in der Christuskirche gemacht. Als mein Mann starb, war das. Mein Mann hat noch den Entwurf gemacht – und ich habe ihn dann schnell fertig gemacht. Und dazu passend haben wir auch die Altarleuchter in der Christuskirche gemacht.“