Es sollen in einem kurzgefassten Überblick alle wesentlichen Bereiche dieses Orgelbaues aus der Sicht des Erbauers beleuchtet werden – soweit das

überhaupt eine Niederschrift vermag

Jedem Interessenten wird innerhalb der Festwoche die Möglichkeit geboten, das Orgelwerk in St. Martin – Cleverbrück – umfassend besichtigen und

hören zu können.

Als im Sommer 1978 aufgrund von Orgelbesichtigungen die Frage und Bitte an mich herangetragen wurde, eine neue Orgel für die St.-Martin-Kirche zu Cleverbrück zu konzipieren, begann dies zunächst mit einer üblichen Ortsbesichtigung. Es galt, die bisherige erst wenige Jahre alte Orgel, die vom Aufstellungsort her einen unglücklichen Platz besaß, durch ein Instrument in klassischer Werk-Konzeption an der Westwand zu ersetzen.

Es bestand bei allen Beteiligten kein Zweifel, dass sich hier in einer klar gegliederten werkgerechten Bauweise das neue Orgelwerk mit einer umfangreichen Disposition dem Betrachter und Hörer darstellen muss. Dieses Werk sollte als die Königin der Instrumente auf der gleichen Ebene mit der singenden, musizierenden und betenden Gemeinde dienend ihren Dienst tun können.

Das mitteldeutsche Klangideal – der Orgelwerke Gottfried Silbermanns und Joachim Wagners – bestimmten dann auch die Wahl der Register in der recht umfangreichen Disposition. Dass hierbei die wichtige Epoche der Romantik nicht ausgespart bleiben konnte, ist wohl selbstverständlich.

Zwar sind z. Z. die akustischen Voraussetzungen des Kirchenraumes noch nicht als ideal zu betrachten, doch konnte eine gewisse optische Einheit zu der modernen Architektur des Raumes hergestellt werden.

Die Schauseite (Prospekt) der Orgel ist mit fünf Pfeifenfeldern im Mittelbereich dem Hauptwerk, zwei Pfeifenfelder im oberen Mittelbereich dem Oberpositiv und zwei Seitenfelder dem Pedalwerk zugeordnet. Eine kleine Besonderheit ist das erst später hinzugetretene Continuo-Brustwerk, das eine Begleitfunktion bei Instrumental-, Chor- und Solistendarbietungen zu erfüllen hat. (Es ist daher mit den übrigen Werken bewusst nicht koppelbar.)

Die einzelnen Werke sind von einem in Rahmen und Füllungen gearbeiteten Kiefernholz-Gehäuse umschlossen. Die mehrfach verleimten Massivhölzer des Gehäuses bieten die Gewähr besonderer Stabilität und mit den in der Gehäusekonstruktion engverbundenen Eichenholz-Windladen und -Raster eine optimale Resonanzwirkung. Eine besonders gute Klangverschmelzung konnte durch die geringe Tiefe der Klangschreine – im Verhältnis zu der umfangreichen Registerzahl erzielt werden. Die schlicht gehaltenen Schleier, der modernen Architektur des Kirchenraumes entsprechend, dienen nicht nur als optischer Schmuck für den freien Bereich oberhalb der Prospektpfeifen, sondern haben auch eine klangrichtende Aufgabe.

Die Aufstellung der Prospektpfeifen entspricht (- mit Ausnahme der sieben großen Mittelpfeifen, die den Spieltrakturbereich umfassen -) genau dem Pfeifenverlauf auf den Windladen. So entsteht eine gewisse Polarität zwischen Klang und Gehäuse. Auch die Register sind auf den Windladen je nach ihrer Aufgabe und Bedeutung hintereinander geordnet. So steht z. B. im Hauptwerk hinter dem Prospektregister Principal 8 gleich das so wichtige Register Octave 4′ und erst danach die Koppelflöte 16. Die zwei Register Spitzflöte 8 und Viola di Gamba 8 stehen weit getrennt voneinander, so dass die gewünschte leichte Verstimmung der Viola di Gamba 8 eine besonders weiche Schwebung ermöglicht. Die labiale Solostimme des Hauptwerkes, das Cornett 8 4fach, wurde leicht hochgebänkt angeordnet, so dass sich die Labien dieser Pfeifen durchweg über denen der übrigen Pfeifen des Hauptwerkes befinden und somit der Solocharakter dieses Registers besonders hervorgehoben wird.Es sollte erwähnt werden, dass für das Pianissimo der Orgel neben dem üblichen Subbaß 16 noch ein eng mensurierter zeichnender und besonders zurückhaltender Gedacktpommer 16-Baß disponiert wurde. So besitzen die Streicher im Hauptwerk und Oberpositiv ihr eigenes entsprechendes Fundament, ohne einen Kompromiß mit dem weiten und fülligen Subbaß 16 schließen zu müssen

Es sei noch auf die Mixtur 11/3 4-5fach im Hauptwerk und auf den Scharff 1 3-5fach im Oberpositiv hingewiesen, deren Zusammensetzung nachstehend aufgeführt ist, Bewußt wurde auf die oft extreme Obertönigkeit durch früh einsetzende Großchöre besonderer Wert gelegt.

Jedes einzelne Register wurde charaktervoll intoniert und fügt sich zu einem festlichen Gesamtklang von höchster Klarheit. Die bestmögliche Mischungsfähigkeit aller Register untereinander war das Ziel, den Klang dieses Werkes zu prägen. Die zeitweise gewollte spuckende und mit Vorläufertönen angereicherte Ansprache der Pfeifen wurde bis auf ein kaum merkliches Minimum reduziert, So ergibt sich ein Klang von hoher Tonqualität und Klangkultur.

In einer unkomplizierten rein mechanischen Spieltraktur werden die Trakturverbindungen über Eichenholzwippen, Messingwellen und Zedernholzabstrakten von den Tasten zu den Ventilen geführt. Etwaige Veränderungen können an den leicht zugänglichen Ledermuttern reguliert werden,

Die e!lektromechanische Registertraktur bietet dem Organisten über drei freie Kombinationen und einige Gruppenzüge ausreichende Registriermöglichkeiten. Das Instrument wird von einem elektrischen Gebläse, das seinen Wind in einem Magazin-Faltenbalg speichert, über sechs zusätzliche Schwimmer- Windladenbälge gespeist.

Dieses architektonische, technische und klangliche Ergebnis der Orgel zu St. Martin in Cleverbrück war nur möglich, weil eine über Jahre wachsende

Gesamtkonzeption in einer verständnisvollen und wohlwollenden Atmosphäre ohne jeden Zeit- und Termindruck verwirklicht werden konnte,

In der Freude über den Orgelneubau möchte ich auch im Namen meiner Mitarbeiter all denen danken, die diesen Orgelbau ermöglichten und unseren Montageaufenthalt mit einer herzlichen Gastfreundschaft bereicherten.

Ich möchte den Wunsch aussprechen, dass die neue Orgel dazu beitragen möge, Gottes Lobpreis und Ehre verkünden zu helfen und viele Hörer und Herzen durch die geheimnisvolle Kraft der Musik fröhlich zu stimmen.

Dieter Noeske